Kurzfassung
Durch die Coronakrise verschärft sich die Bildungsungerechtigkeit, da vielen Schüler*innen die Mittel fehlen, die Lerninhalte selbständig zu erarbeiten und ihre Eltern sie nicht unterstützen können. Haydee! verbindet eine*n ehrenamtliche*n Mentor*in und einen Mentee, die sich regelmäßig über eine digitale Plattform austauschen und Aufgaben gemeinsam erarbeiten. Wir möchten den Schüler*innen Rückenwind geben, sie motivieren selbständig zu lernen und den Bezug zur deutschen Sprache fördern.
Sie wurden vom Publikum und der Jury zu den 30 Preistragenden des einheitspreises 2020 gewählt. Was bedeutet Ihnen das?
Wir bei Haydee! e.V. haben zunächst erst einmal riesig gefreut, dass wir den Einheitspreis für unsere Arbeit erhalten haben. Wir sind ein junger Verein, mit einem in ganz Deutschland verstreuten Team. Wir haben viele gemeinsame Stunden, Motivation und Arbeit in Haydee! e.V. investiert und sind stolz, dass unsere Arbeit für benachteiligte Jugendliche und Kinder so gut angenommen wird. Und der Preis zeigt uns, dass unser Anliegen wichtig ist, gesehen wird und wir einen großen Beitrag für Schülerinnen und Schüler leisten können. Es ist ein toller Motivationsschub, dass unser Projekt so angenommen wird.
Wie haben Sie das Thema Ost-West bzw. Solidarität in Ihrem Projekt aufgegriffen?
Unser Projekt lebt von Solidarität, vom Miteinander und Füreinander zwischen Mentor*innen, Mentees und dem Team. Haydee! hilft Schüler*innen in allen Bundesländern und läuft komplett ehrenamtlich – von den Metor*innen bis hin zu allen Teammitgliedern, die teilweise in beiden Bereichen sehr aktiv sind. Wir sind also durchgehend von Solidarität geleitet.
Bei uns im Projekt kommen auch Tandems zusammen, die in ganz verschiedenen Regionen Deutschlands wohnen. So bringen wir quasi trotz Corona und Distanz die vielfältigsten Menschen zusammen, egal, wo jemand herkommt und welchen Hintergrund die Person mitbringt. Aufgrund der verschiedenen Lehrpläne in der Schule versuchen wir aber, die Bundesländer im Matchingprozess zu berücksichtigen. Dennoch ist unser klarer Vorteil, dass unsere Nachhilfe digital und nicht an einen Ort gebunden ist. So können wir barrierefreier helfen und den Mentees auch oft eine*n Mentor*in zur Seite stellen, die neue Impulse für den Mentee mitbringt. Wir verfolgen das Ziel, das Projekt auszuweiten, bekannter zu werden um mehr ehrenamtliche Mentor*innen zu akquirieren, da es überall und immer Kinder und Jugendliche gibt, die in der Schule nicht mitkommen, übersehen werden und nicht die Unterstützung bekommen können, die sie verdienen.
Was bedeutet das Thema "Deutsche Einheit" bzw. Solidarität im Jahr 2020 für Sie?
Das Jahr 2020 war geprägt von Unsicherheiten, jeder einzelne Mensch musste den Alltag umstrukturieren und sich mit so viel Unbekanntem auseinandersetzen. Die Corona Pandemie hat viele Menschen auf unterschiedlichste Art und Weise getroffen. Aber die Schüler*innen hatten es in unseren Augen am schwersten. So viele unterschiedliche Sorgen und Nöte, die nicht aufgefangen werden konnten, als der plötzliche Lockdown kam und viele Schulen schlichtweg nicht gerüstet waren. Von Fragen zur technischen Ausrüstung, Kontakt mit den Lehrer*innen und den eigenen Freunde bis hin zur Unterstützung, die zuhause vorhanden war, um diese Zeit zu meistern. Und wir hatten die Angst, dass die Lücke für eben jene Schüler*innen anwachsen könnte, die diese Art von Unterstützung eben nicht erhalten würden. Für uns ist Haydee! eine Frage der Solidarität. Die Deutsche Einheit steht in unseren Augen deshalb definitiv auf dem Prüfstand, wir erleben in so vielen Bereichen immer mehr Spaltung, immer mehr Aggression und Unruhe.
Deshalb setzen wir bei der Bildung an. Durch Bildung, durch Aufmerksamkeit auch für die Probleme der Menschen, die vielleicht nicht immer zu Wort kommen, vor allem junge Menschen und Kinder, erreichen wir viel mehr Dialog miteinander, Verständnis füreinander und so Zusammenhalt. Manchmal muss man einfach über den eigenen Tellerrand hinausschauen und gemeinsam Dinge anpacken, um Menschen unterstützen zu können.
Wo gibt es aus Ihrer Sicht nach wie vor Probleme zwischen Ost und West und in der Gesamtgesellschaft
Auch 30 Jahre nach dem Mauerfall sind noch viele Unterschiede zwischen Ost und West erkennbar. Manche sprechen auch davon, dass es keine Gesamtgesellschaft in Deutschland gibt. Neben den wirtschaftlichen Aspekten, wie Lohnunterschied, Arbeitslosenquote und wirtschaftliche Kraft von Betrieben sieht man, dass viele Regionen im östlichen Teil Deutschlands keine Beachtung finden. Hier leben Menschen, die täglich damit konfrontiert werden, dass sich viele nicht für ihren Alltag und ihre Probleme interessieren. Für Zusammenhalt in der Gesellschaft muss man miteinander sprechen – und sprechen wollen. Darüber reden hilft nicht weiter, nur wenn man aufeinander zugeht und gemeinsam Lösungen entwickelt, kann Zusammenhalt entstehen.
Wie können Sie dazu beitragen, dem entgegen zu wirken?
Haydee! e.V. stellt Bildung in den Mittelpunkt – und Menschen, die sich vielleicht keine Nachhilfe leisten können, die Probleme haben, Unterstützung zu finden und im schlimmsten Fall in der Schule einfach „herunter fallen“, weil sich niemand für sie einsetzt.Wir unterstützen Schüler*innen aus ganz Deutschland und versuchen langfristig ein Mentor*innen und Mentee Netzwerk aufzubauen, um so viele Kinder wie möglich zu erreichen. Die Mentor*innen die sich bei uns ehrenamtlich beteiligen stellen eine Vorbildfunktion dar, zeigen Kindern und jungen Menschen, dass z.B. viele Menschen mit Migrationshintergrund an der Uni studieren, interessante und vielseitige Lebensläufe haben und das man mit den unterschiedlichsten Startmöglichkeiten tolle Ziele erreichen kann. Deshalb ist auch eines unserer zentralen Ziele, Menschen auf das Thema Bildungsungleichheit zu sensibilisieren. Dafür bieten wir auch Bildungsangebote an und sind regelmäßig im Austausch mit unseren Mentor*innen.
Haben Sie schon Pläne für das Preisgeld?
Wir bei Haydee! e.V. sind in den letzten Monaten schnell gewachsen, was ein toller Erfolg ist und eine grandiose Bilanz für unser Gründungsjahr. Deshalb sehen wir das Preisgeld an drei Punkten gut aufgehoben:
Da die Mitglieder des Kernteams Studierende oder Berufstätige sind und ihre Freizeit für das Projekt einsetzen, hoffen wir hier finanziell in zusätzliche Unterstützung in der operativen Projektleitung zu investieren. Dabei geht es z.B. um die Kontaktaufnahme mit Schulen und Sozialarbeitern und auch die bundesweite Expansion.
Der zweite große Bedarf ist die technische Weiterentwicklung. Um unseren Kindern die bestmögliche Unterstützung zu bieten, ist ein schnelles und qualitativ hochwertiges Matching wichtig – dieses sollte aber langfristig nicht händisch erfolgen, sondern mit einem KI-basierten Instrument. Die Entwicklung eines solchen Instruments, außerdem noch die weiteren Lizenzen für Webseite und Graphiken ergeben Kosten, die wir durch das Preisgeld zu decken versuchen.
Der dritte große Bedarf ergibt sich durch unser Ziel, unsere Mentoren stetig weiterzubilden. Für ihre Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen sind Seminare und auch Supervision wichtig, vor allem wenn es z.B. um schwierigere Fällen handelt. Langfristig wollen wir hierfür mit Experten zusammenarbeiten. Außerdem erwarten wir, unsere Kooperationen mit Schulen und allen Ländern zu stärken, um uns den Kindern vorstellen zu dürfen, die die Hilfe am dringendsten brauchen. Über Kooperationen mit Technologiekonzernen, Spenden und gebrauchte Geräte wollen wir den Kindern, die kein technisches Gerät zur Verfügung haben, helfen und auch sicherstellen, dass der schulische Erfolg nicht an der einfachsten technischen Ausstattung scheitert.